Ist das immer so, und wenn ja, warum? Was ist ein Kompromiss überhaupt und wann ist er faul? Um diese Fragen zu ergründen, schauen wir uns zunächst an was ein Kompromiss ist, bzw. wie er von den meisten Menschen verstanden wird. Die allgemein anerkannte Definition lautet:

Übereinkunft durch gegenseitige Zugeständnisse, bei dem jede Partei auf Teile ursprünglicher Forderungen verzichtet.

Jedem Kompromiss geht ein Konflikt voraus. Ohne Konflikte gibt es keinen Bedarf für Übereinkunft. Erst kontroverse Ansichten, Meinungen und Standpunkte führen zu einem Bedürfnis nach Einigung. Und zwar immer dann, wenn die unterschiedlichen Standpunkte verhindern würden, gemeinsame Ziele zu erreichen. Erst wenn die Not groß genug ist, sind die Parteien bereit von Ihrem Standpunkt abzurücken und gegenseitig auf Forderungen zu verzichten. Klappt nur, wenn der Verzicht aller Parteien ausgeglichen ist. Klingt gut, ist in der Realität jedoch kaum umzusetzen. Der Wunsch nach Ausgewogenheit spiegelt sich in diversen Formulierungen wider: „das Zünglein an der Waage“, „ein politisches Leichtgewicht“, „das ist ein gewichtiges Argument“, usw.

Alle Bemühungen um ausgewogene Kompromisse sind jedoch meist vergeblich. Allein deshalb, weil sich die Gegebenheiten und Rahmenbedingung rund um die Einigung laufend und immer schneller werdend verändern. Was zum Zeitpunkt der Einigung noch galt, ist heute schon anders und morgen vielleicht ohne Bedeutung. So oft und ausdauern können Sie Ihre Kompromisse gar nicht auf die Waagschale legen.

Des Weiteren neigen Menschen dazu, sich ungern von materiellen Dingen und Überzeugungen zu trennen. Speziell wenn sich die Rahmenbedingungen verändern, wird uns der vermeintliche Verlust deutlich vor Augen geführt und die Abwärtsspirale der negativen Gedanken und Gefühle wird in Gang gesetzt.

Fliegt uns ein Kompromiss um die Ohren, betrachten wir ihn als faulen Kompromiss. Faul, im Sinne von verdorben und unbrauchbar. Schuld sind, natürlich, die anderen. Aber ist diese Betrachtungsweise klug, oder sind nicht viel mehr die Menschen, welche den Kompromiss ausgehandelt haben als faul zu bezeichnen?

Vielleicht ist faul zu hart formuliert. Bequem trifft es wahrscheinlich besser. Vielen Menschen steht ihre Vergangenheit im Weg. Wenn Menschen konfliktscheu sind, also versuchen jedem Konflikt möglichst aus dem Weg zu gehen, so hat dies meist seine Ursache in der Erziehung. Im Laufe des Lebens folgen dann unangenehme Erlebnisse mit Auseinandersetzungen jeglicher Art, welche die negativen Gefühle verstärken.

Andere Menschen nutzen Konflikte, um ihre Machtposition zu festigen. Dabei geht es darum, den Konflikt zu dominieren und in eigenem Sinn zu entscheiden.

Fast immer, werden so Kompromisse erzielt, die nur scheinbar ein Gleichgewicht der Interessen darstellen. Wenn Konflikte in dieser Form ausgetragen werden und in einen vermeintlich ausgewogenen Kompromiss münden, ist die Gefahr des Scheiterns sehr groß. Nach außen wird der schöne Schein der Ausgewogenheit gewahrt, innerlich haben die  negativen Gefühle jedoch die Lunte schon längst angezündet. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis die Bombe explodiert und uns der Kompromiss um die Ohren fliegt.

Was können wir tun, um zukünftig, stattdessen ein beständiges Kommitment zu erreichen? Um diese Frage zu beantworten, müssen wir uns zunächst den Unterschied zwischen Kompromiss und Kommitment vor Augen führen.

Kompromiss und Kommitment sind das Gleiche, aber nicht Dasselbe!

Beide Begriffe beschreiben das Ergebnis einer Einigung im Konfliktfall, die idealerweise in einer gemeinsamen Vereinbarung mündet.

Gegenüber dem Kompromiss beinhaltet das Kommitment ein, (sich) bekennen und ein, (sich) verpflichten zur gemeinsamen Einigung. Darüber hinaus ist es ein Erkennen der Vorteile einer Einigung. Dies geht einher mit dem Verständnis, dass die Vorteile nicht zu bekommen sind, ohne dafür einen Preis zu bezahlen.

Bei einem Kommitment erkenne ich diesen Preis an, bekenne mich deshalb dazu und verpflichte mich die Vereinbarung einzuhalten. Ich kann mich in die Obhut meiner Konfliktpartner begeben, weil ich weiß, dass diese die Einigung genauso wie ich behüten werden. Nicht weil sie müssen, sondern weil sie, genau wie ich, wollen. Intrinsische Motivation ersetzt Druck von außen.

Das Kommitment schließt natürlich nicht aus, dass sich Rahmenbedingungen verändern und wie beim Kompromiss, der Wunsch geweckt wird, die Vereinbarung neu zu verhandeln. Das ist legitim und sogar sinnvoll.

Wird ein Kompromiss nach oder neu verhandelt, so stehen immer Schadensersatzforderungen im Focus. Wie in der Definition von Kompromiss so trefflich formuliert, haben wir, um den Kompromiss zu erreichen, bereits auf Teile unserer Forderungen verzichtet. Um den Kompromiss zu retten, verzichten wir nun alle noch ein wenig mehr auf unsere Forderungen. So entsteht garantiert ein explosives Gemisch negativer Gedanken und Gefühle.

Wird ein Kommitment nach oder neu verhandelt,  wird die Nach- oder Neuverhandlung von den gleichen positiven Grundgedanken angetrieben wie schon die ursprüngliche Einigung. Im Focus steht der Wunsch, die Vorteile, die alle durch die Einigung erhalten haben, zu sichern. Möglich wird dies, indem der Preis, den alle für die Einigung bereit sind zu bezahlen, angepasst wird. Diese Anpassung wird nicht als negativ empfunden, sondern gewährleistet, dass alle weiterhin in den Genuss der Vorteile kommen.

Wenn der Kompromiss die Bombe ist, dann ist das Kommitment das geeignete Werkzeug für Bombenentschärfer. Übung, Erfahrung, eine ruhige Hand und wohlüberlegtes Handeln tun ihr übriges.

Nachdem die unmittelbare Gefahr gebannt ist, kommen wir zu einer weiteren gewagten Theorie.

Der Konflikt ist nicht das Problem, sondern die Lösung!*

Nächsten Freitag erscheint die nächste Folge diese Blogs. Lesen Sie dann, warum das so ist und wie wir die im Konflikt verborgenen Chancen bestmöglich nutzen können.

Herzliche Grüße und bis bald.

Mehr zu diesem Thema lesen Sie auch in meinem neuen Buch: Unternehmenstrinität


*siehe auch: Reinhard K. Sprenger, Magie des Konflikts, DVA, 2020, ISBN 978-3-421-04854-7